Alles in unserem Leben wird schneller - das ist das zentrale Thema hier. Als Beispiel sei nur einmal der 'TÜR ZU'-Knopf in Aufzügen genannt - den man vor nur ein paar Jahrzehnten nicht im geringsten vermisst hat. Und, ich gebe es zu, ich benutze ihn und vermisse ihn in entsprechenden Aufzügen. Aber die Frage ist natürlich gerechtfertigt: kommt es eigentlich jemals auf diese paar Sekunden Unterschied an? Wenn der Knopf nicht sowieso nur ein 'Placebo' ist ...
Allerdings habe ich das Gefühl, dass der Autor hier etwas zu sehr alles in die Richtung der Beschleunigung der Zeit interpretiert, auch eher zu polemisch ist - zum Beispiel macht er sich darüber lustig, dass unsere Gegenwart die Zeitmessung auf die Spitze getrieben haben, zu einer extremen Genauigkeit (messbar in Nanosekunden - in einer Nanosekunde kommt das Licht ca. 30cm weit (!) - und weniger). Andererseits ist auch mir die Genauigkeit einer Uhr wichtig, am liebsten sind mir funkgesteuerte Uhren, nicht weil es mir auf die millionstel Sekunde ankommt, sondern weil Ungenauigkeiten kumulative sind und ich faul bin und nicht alle paar Tage meine Uhr stellen möchte. Ich denke auch, dass mit Fast-Food, Tastentelefonene, programmierbaren 'Helfern', bei denen die Zeit, die für das Programmieren gebraucht wird, nie mehr eingespart werden kann, etc. nicht Sekunden gespart werden wollen, sondern dies einfach der Faulheit entgegenkommt - ich sehe nicht, dass dies als Faktor bzw Erklärung bei ihm auftaucht.
Er diagnostiziert bei vielen Menschen die 'Hetzkrankheit' - und ich selber fühle das auch an mir. Aber ich sehe auch, dass die Welt, was wir von ihr wissen und was wir selbst an Information heute zugänglich haben, enorm zugenommen hat - und damit auch so viele interessante Dinge um unsere Aufmerksamkeit wetteifern.
Aber das Buch ist durchaus amüsant zu lesen - und im Grunde muss man dem Autor in vielem zustimmen: diese 'Beschleunigung' der Zeit ist real und unübersehbar - offen bleibt allerdings wo das hinführen kann - und es wird auch kein Gegenbild entworfen.
Interessante Aspekte:
'Gefangene selber erzählen des Öfteren, dass eine kurze Inhaftierung schwerer zu verkraften ist als eine lange. Das ist vielleicht der Unterschied zwischen Warten und Leben. Als Alexander Solschenizyn wieder in die Freheit entlassen wurde, hatte er, während er sechzehn Minuten lang auf einen Trolleybus wartete, den Eindruck, sich mehr zu langweilen, als es je während des leeren Sechzehnstundentags im Gulag der Fall gewesen war, der ohne jedes erinnerungswürdige Ereignis verstrich.
'Man vergisst leicht, wie neu die Idee des Zeitsparens in der Geschichte der Menschheit ist. Für persönliches Zeitmanagement gab es vor den achtziger Jahren noch keine eigene Buchkategorie. ... Unsere Kultur hat sich gewandelt. Aus einer Kultur, die ihren Überschuss an freier Zeit zu füllen bemüht war, ist eine Kultur geworden, deren Zeit bewacht, gehütet und beschützt werden muss.'
'Jay Walljaspar: "... Es ist so weit, langsam habe ich das Gefühl, dass meine Tage, die mit allen möglichen Tätigkeiten angefüllt sind, zu einem olympischen Ausdauerlauf werden: der Alltagsmarathon ... Selbst wenn ich mich amüsieren will, höre ich eine unsichtbare Stoppuhr ticken."'
Für mich am wichtigsten:
'Zeit sparen ist ein kompliziertes Unterfangen. Manche Leute wollen Zeit sparen, aber eigentlich wollen sie einfach mehr tun. Um freie Zeit zu haben, muss man erst beschliessen, dass man wirklich mal nichts tun will. Wir sollten erst einmal erkennen, dass Zeit zur Verfügung steht - wie viel auch immer - und dass wir entscheiden dürfen, wie wir sie verbringen, verwenden oder ausfüllen.'