Eindrucksvolle Geschichte von einem Professor, der seine völlige Freiheit lebt, dabei die Ehe/Familie zerbricht und sein Leben mit zahlreichen Geliebten unter den Studentinnnen führt. Hauptsächlich aber die Geschichte von der Bessesenheit mit einer bestimmten Frau, Consuela, von der auch er nicht mehr loskommt. Anders als ich erwartet hatte, ist das 'sterbende Tier' in Form von Consuelas Krankheit nicht das zentrale Thema. Eher betont es die grundsätzliche Freiheit in heutigen Lebensumständen, nicht nur für Männer, sondern auch für Frauen (im Gegensatz zu früheren Zeiten). Können wir wirklich solch völlige Freiheit leben? Andererseits verstrickt er sich aber mit Consuela eben doch auch wieder in der Abhängigkeit - ein interessanter Aspekt.
Die beste Beschreibung von Alter, die ich je gelesen habe:
"Es ist verständlich, dass jedes zukünftige Lebensstadium unvorstellbar ist. Manchmal hat man eines bereits halb durchschritten, bevor man überhaupt merkt, dass man darin eingetreten ist. Ausserdem bieten frühere Stadien einen gewissen Ausgleich. Dennoch hat die Mitte des Lebens für viele etwas Erschreckendes. Aber das Ende? Interessanterweise ist es das erste Lebensstadium, das man von aussen betrachten kann, während man sich darin befindet. Man beobachtet (wenn man so viel Glück hat wie ich) seinen eigenen Verfall und hat, aufgrund seiner anhaltenden Vitalität, zugleich einen erheblichen Abstand zu diesem Verfall - ja man fühlt sich sogar unbeschwert und ganz und gar nicht davon betroffen. Gewiss, es gibt eine zunehmende Anzahl von Zeichen, die auf das unangenehme Ende hinndeuten, und dennoch betrachtet man das alles von aussen. Die Grausamkeit dieser Objektivität ist erbarmungslos.
Man muss zwischen Sterben und Tod unterscheiden. Das Sterben ist kein ununterbrochener Prozess. Wenn man gesund ist und sich wohl fühlt, ist das Sterben nicht wahrnehmbar. Das Ende ist gewiss, kündigt sich aber nicht unbedingt auffällig an. Nein, man kann es nicht verstehen. Solange man selbst nicht alt ist, versteht man nur, dass die Zeit den Alten ihren Stempel aufgedrückt hat. Doch wenn das alles ist, was man versteht, fixiert man sie in der Zeit, und das bedeutet, dass man eigentlich überhaupt nichts versteht. Alt zu sein bedeutet für alle, die noch nicht alt sind, dass man gewesen ist. Aber wenn Sie alt sind, bedeutet es, dass Sie trotz Ihrer Gewesenheit, zusätzlich zu Ihrer Gewesenheit, über Ihre Gewesenheit hinaus noch immer sind. Ihre Gewesenheit ist sehr lebendig. Sie sind noch immer, und dieses Noch-immer-Sein und seine Fülle verfolgen Sie ebenso wie die Gewesenheit, die Vergangenheit. Stellen Sie sich das Alter so vor: Es ist eine alltägliche Tatsache, dass Ihr Leben auf dem Spiel steht. Sie können dem Wissen um das, was Sie in Kürze erwartet, nicht entgehen. Die Stille, die Sie für alle Ewigkeit umgeben wird. Davon abgesehen ist alles wie immer. Davon abgesehen ist man unsterblich, solange man lebt."
Andere Zitate:
"Sehen Sie, heterosexuelle Männer, die in den Stand der Ehe treten, sind wie Priester: Sie legen ein Keuschheitsgelübde ab, nur wird ihnen das anscheinend erst drei, vier, fünf Jahre später bewusst. Für einen potenten Heterosexuellen mit seinen sexuellen Präferenzen ist eine normale Ehe nicht weniger erdrückend als für einen Schwulen oder eine Lesbierin. ... Nein, Männer haben keine Ahnung von den brutalen, tragischen Aspekten dessen, worauf sie sich einlassen - oder sie handeln bewusst so, als hätten sie keine Ahnung davon. Bestenfalls denken sie stoisch: Ja, ich verstehe, dass ich in dieser Ehe früher oder später auf Sex verzichten muss, aber ich tue das, um andere, wertvollere Dinge zu bekommen. Aber begreifen sie, worauf sie verzichten? Wie soll man, wenn man keusch und ohne Sex lebt, mit den Niederlagen, den Kompromissen, den Frustrationen fertig werden? Indem man mehr Geld verdient, möglichst viel Geld? Indem man möglichst viele Kinder in die Welt setzt? Das hilft, aber es ist kein Ersatz für das andere. Denn das andere ist im Körper verankert, in dem Fleisch, das geboren ist, in dem Fleisch das sterben wird. Denn nur beim Vögeln übt man an allem, was einem verhasst ist und was einen zu Boden drückt, eine reine, wenn auch nur momentane Vergeltung. Nur dann ist man voll und ganz lebendig, voll und ganz man selbst. Die Unsittlichkeit ist nicht im Sex, sondern in allem anderen. Sex ist nicht bloss Reibung und seichtes Vergnügen. Mit Sex übt man auch Vergeltung am Tod. Vergessen Sie nicht den Tod. Vergessen Sie ihn nie. Ja, auch die Macht des Sex hat ihre Grenzen. Ich weiss sehr wohl, wie begrenzt sie ist. Aber sagen Sie mir: Welche Macht ist grösser?"
"Was ist Lächerlichkeit? Freiwillig seine Freiheit aufgeben - das ist die Definition von Lächerlichkeit. Wenn einem die Freiheit gewaltsam genommen wird, ist man natürlich nicht lächerlich, es sei denn für den, der sie einem gewaltsam genommen hat. Doch wer seine Freiheit aufgibt, wer darauf brennt, sie aufzugeben, tritt ein in das Reich der Lächerlichkeit, das an die berühmtesten Stücke Ionescos erinnert und in der Literatur die Inspiration für Komödien ist. Wer frei ist, mag verrückt, dumm, abstossend oder unglücklich sein, eben weil er frei ist, doch er ist gewiss nicht lächerlich. Als menschliches Wesen besitzt er eine Dimension."