Ein sehr faszinierendes Buch, obwohl eher in Richtung verstörend. Es beschreibt eine Familie, Alltag, Alltag mit allen Problemen zwischen Ehepartnern, Eltern und Kindern ... und all' die kleinen Grässlichkeiten des zwischenmenschlichen Lebens.
Ich frage mich, warum es so hoch in der Bestsellerliste gewesen ist - nein, es ist ein tolles Buch, ich möchte es nicht missen, aber warum gefällt es so vielen Menschen? Wahrscheinlich weil man eben so viele Details wiedererkennt, und so sieht, dass man nicht allein diese Probleme hat.
Eigentlich ist keine der Figuren liebenswert dargestellt, vielleicht am ehesten noch Chip (für mich). Ich fühle mich irgendwie an AudreyNiffenegger-DieFrauDesZeitreisenden erinnert, weil es auch das ganz normale Leben beschreibt, aber diese Beschreibung ist gar nicht so up-lifting wie dieses.
Wie gesagt, ich fand es trotzdem für mich sehr fesselnd - vieles kann ich in all dem alltäglich tragödienhaft-zwangsläufigen Schiefgehen mitfühlen.
Ausserdem ist die Beobachtung der Details und die Sprache einfach grandios, daher ein paar Zitate:
Dieser Zustand beleidigte sein Verständnis von Eigentum. Die zitternden Hände gehörten niemand anderem als ihm, und doch verweigerten sie ihm den Gehorsam wie ungezogene Kinder. Wie vernunftlose Zweijährige, die aus lauter Egoismus einen Wutanfall bekamen. Je strenger er durchgriff. umso weniger hörten sie auf ihn, umso quengeliger wurden sie und umso weniger vermochte er sie zu bändigen. Die Widerspenstigkeit eines Kindes, das sich einfach nicht wie ein Erwachsener benehmen wollte, war ihm immer ein Dorn im Auge gewesen. Verantwortungslosigkeit und Mangel an Disziplin waren der Fluch seines Lebens, und es war ein weiteres Beispiel der besagten teuflischen Logik, dass sein eigener verfrühter Leidenszustand ausgerechnet darin bestand einen Körper zu haben, der ihm den Gehorsam verweigerte.
Der Geschmack selbst auferlegten Leids, eines aus Trotz vertanen Abends, verschaffte eigentümliche Befriedigung. Andere Menschen waren nicht mehr wirklich genug, um die Schuld daran zu tragen, wie es einem ging. Übrig blieben nur man selbst und die eigene Verweigerung. Und genau wie Selbstmitleid oder wie das Blut, das sich in der Mundhöhle sammelte, wenn einem ein Zahn gezogen wurde - die salzigen, eisenhaltigen Säfte, die man hinunterschluckte und heimlich genoss -, hatte auch die Verweigerung ein Aroma, an dem man Geschmack finden konnte.
Was sollte sie von Al Lambert halten? Da war das Altmännerhafte seiner Reden und das Jungmännerhafte seines Aussehens. Enid hatte sich dafür entschieden, der Verheissung seines Aussehens Glauben zu schenken. Das Leben wurde zum Warten darauf, dass seine Persönlichkeit sich änderte. Während sie wartete, bügelte sie zwanzig Hemden die Woche plus ihre eigenen Röcke und Blusen.
Fuhr mit der Nasenspitze des Bügeleisens um die Knöpfe. Glättete die Falten, liess die Knicke verschwinden.
Ihr Leben wäre einfacher gewesen, wenn sie ihn nicht so geliebt hätte, doch sie wusste sich nicht zu helfen. Ihn nur anzuschauen hiess, ihn zu lieben.
Dass er sich irgendwann keine Sorgen mehr ums Geld machen müsste: Das war ein Traum, der jenem Traum glich, von einer Frau getröstet, wahrhaft getröstet zu werden, wenn ihn das Elend überkam.
Der Traum von der radikalen Verwandlung: eines Tages aufzuwachen und ein gänzlich anderer (selbstbewussterer, gelassenerer) Mensch zu sein, dem Gefängnis des Gegebenen zu entfliehen, göttliche Schaffenskraft zu verspüren.
Chip, in den Kleidern des alten Mannes, konnte der Unterhaltung nicht folgen. Die Hände seines Vaters lasteten schwer auf seinen Schultern. Zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde klammerte sich jemand an ihn, als wäre er ein Mensch mit Substanz, als wäre etwas an ihm dran. In Wirklichkeit war so wenig an ihm dran, dass er nicht einmal zu sagen vermochte, ob seine Schwester und sein Vater sich in ihm täuschten. Er kam sich vor, als wäre sein Bewusstsein von allen individuellen Merkmalen kahl geschoren und, metempsychotisch, in den Körper eines verlässlichen Sohnes, eines vertrauenswürdigen Bruders hineintransplantiert wroden ...