Eine Geschichte über Liebe und Freundschaft, Eifersucht, Betrug, Mordversuch (?), die Frau des einen und dessen Freund - über eine ungeklärte Vergangenheit, die lange in die Geschichte und das Leben der drei Beteilgten hineinragt und geprägt hat. Dies ist eindrucksvoll erzählt, faszinierend in der (brutalen) Konsequenz der so gelebten Leben.
Nach dem Lesen und etwas Überdenken allerdings ist es vielleicht noch mehr eine Geschichte über das Altern, damit verbunden mit den Überlegungen, was an einem Leben wichtig ist, was bleibt. Dies ist die zweite Frage, die am Ende gestellt wird und die im Gegensatz zur offensichtlicheren Frage nach den konkreten Geschehnissen auch 'beantwortet' wird.
Interessante Idee: das geheime Tagebuch:
Das in gelben Samt gebundene Tagebuch, das ich ihr in den ersten Tagen unserer Ehe geschenkt habe, erzählt alles, denn wir hatten abgemacht, dass sie mir und sich selbst auch von ihren Gefühlen und Gedanken berichtet, von Gefühlen, von Sehnsüchten, von den Nebenprodukten der Seele, von denen man nicht laut zu sprechen wagt, weil man sich schämt oder weil man sie als nebensächlich betrachtet ...
... und andere Zitate:
Was ist Treue, was erwarteteten wir von der Frau, die wir liebten? ... Wenn wir Treue fordern, wollen wir dann das Glück des anderen? Und wenn er in der subtilen Gefangenschaft der Treue nicht glücklich sein kann, lieben wir ihn dann wirklich, wenn wir trotzdem Treue von ihm fordern?
Man altert langsam: Zuerst altert die Lust am Leben und an den Menschen, weisst du, allmählich wird alles so wirklich, du verstehst die Bedeutung von allem, alles wiederholt sich auf beängstigend langweilige Art. Auch das hat mit dem Alter zu tun. Man weiss, ein Glas ist einfach ein Glas. Und ein Mensch, der Arme, ist auch nur ein sterblicher Mensch, was immer er tut. Dann altert der Körper; nicht auf einmal, nein, zuerst altern die Augen oder die Beine oder das Herz. Man altert in Raten. Und mit einemmal beginnt die Seele zu altern: denn der Körper mag alt geworden sein, die Seele aber hat noch ihre Sehnsüchte, ihre Erinnerungen, noch sucht sie, noch freut sie sich, noch sehnt sie sich nach Freude. Und wenn die Sehnsucht nach Freude vergeht, bleiben nur noch die Erinnerungen oder die Eitelkeit; und dann ist man wirklich alt, endgültig. Eines Tages erwacht man und reibt sich die Augen: Man weiss nicht, wozu man erwacht ist. Man kennt zu gut, was der Tag anzeigt: den Frühling oder den Winter, die Äusserlichkeit des Lebens, das Wetter, die Einteilung des Alltags. Es kann nichts Überraschendes mehr geschehen: Nicht einmal das Unerwartete, Ungewohnte, Schreckliche überrascht einen, weil man alle Wechselfälle kennt, mit allem rechnet, nichts mehr will, weder Gutes noch Schlechtes. Das ist das Alter. Im Herzen lebt noch etwas, eine Erinnerung, irgendwie ein Lebensziel, man möchte jemanden noch einmal wiedersehen, man möchte noch etwas sagen oder erfahren, und man weiss genau, dass der Augenblick dafür kommen wird, aber dann ist es plötzlich nicht mehr so wichtig, die Wahrheit zu erfahren und ihr zu antworten, wie man das in den Jahrzehnten des Wartens angenommen hatte. Allmählich versteht man die Welt, und dann stirbt man.