Im Buch Zeichen der Stille der Künstlerin Fabienne Verdier fand ich diesen Satz, ein starker Satz für eine Meditation
Sitzend kontempliere ich die völlige Stille jenseits von hier.
In diesem tiefen Frieden richte ich mein Denken zu Grunde.
Es ist ihr knappes Zitat aus einem längeren Gedicht von Giacomo Leopardi - hier in der originalen italienischen Form
L’Infinito
Sempre caro mi fu quest’ermo colle,
E questa siepe, che da tanta parte
De l’ultimo orizzonte il guardo esclude.
Ma sedendo e mirando, interminato
Spazio di là da quella, e sovrumani
Silenzi, e profondissima quiete
Io nel pensier mi fingo, ove per poco
Il cor non si spaura. E come il vento
Odo stormir tra queste piante, io quello
Infinito silenzio a questa voce
Vo comparando: e mi sovvien l’eterno,
E le morte stagioni, e la presente
E viva, e ‘l suon di lei. Così tra questa
Infinità s’annega il pensier mio:
E ‘l naufragar m’è dolce in questo mare.
Hiervon gibt es eine deutsche Übersetzung von Rainer Maria Rilke:
L´Infinito
Immer lieb war mir dieser einsame
Hügel und das Gehölz, das fast ringsum
ausschließt vom fernen Aufruhn der Himmel
den Blick. Sitzend und schauend bild ich unendliche
Räume jenseits mir ein und mehr als
menschliches Schweigen und Ruhe vom Grunde der Ruh.
Und über ein Kleines geht mein Herz ganz ohne
Furcht damit um. Und wenn in dem Buschwerk
aufrauscht der Wind, so überkommt es mich, dass ich
dieses Lautsein vergleiche mit jener endlosen Stillheit.
Und mir fällt das Ewige ein
und daneben die alten Jahreszeiten und diese
daseiende Zeit, die lebendige, tönende. Also
sinkt der Gedanke mir weg ins Übermaß. Unter-
gehen in diesem Meer ist inniger Schiffbruch.
Es gibt weitere Übersetzungen - hier noch schöne auf deutsch:
Unendlichkeit
Und immer neu erfreute mich der Hain
auf seiner Kuppe, der den Blick verstellt
auf dieses grenzenlose Himmelszelt.
Und bald stellt sich in dieser Ruhe eindie Vorstellung von so viel tiefren Räumen,
aus uferlosem Stillsein nur gewoben
und jeder Unbill dieser Welt enthoben.
Den sanften Hauch des Windes in den Bäumenvergleiche ich der weltentrückten Ruhe,
bedenk die toten Welten, Ewigkeit
und diese Gegenwart mit ihrem Klang,Entfliehe unsrem hektischen Getue,
versink im Meer der Unermeßlichkeit
und geb mich willig in den Untergang.
Lieb war mir stets hier der verlaßne Hügel
und diese Hecke, die vom fernsten Umkreis
so viel vor meinem Blick verborgen hält.
Doch hinter ihr – wenn ich so sitze, schaue,
endlose Weiten formt sich dort mein Denken,
ein Schweigen, wie es Menschen nicht vermögen,
und tiefste Ruhe; da beschleicht die Seele
ein leises Graun. Und wenn des Windes Rauschen
durch diese Bäume geht, halt ich die Stimme
dem Schweigen, dem unendlichen, entgegen,
ihm zum Vergleich: des Ewigen gedenk ich,
der toten Jahreszeiten und der einen,
die heute lebt und tönt. Und so versinken
im Unermeßlichen mir die Gedanken,
und Schiffbruch ist mir süß in diesem Meere.
Die englische Wikipedia-Seite gibt neben einer direkt wörtlichen Übersetzung diese beiden englischen Übersetzungen, beide schön in ihrer verschiedenen Art:
The Infinite
This lonely hill was always dear to me,
and this hedgerow, which cuts off the view
of so much of the last horizon.
But sitting here and gazing, I can see
beyond, in my mind’s eye, unending spaces,
and superhuman silences, and depthless calm,
till what I feel
is almost fear. And when I hear
the wind stir in these branches, I begin
comparing that endless stillness with this noise:
and the eternal comes to mind,
and the dead seasons, and the present
living one, and how it sounds.
So my mind sinks in this immensity:
and foundering is sweet in such a sea.
Boundless Depths
I’ve always loved this solitary hill,
I’ve always loved this hedge that hides from me
So much of what my earthly eyes can see.
For as I sit and gaze, all calm and still,
I conjure up my thoughts; my mind I fill
With distances that stretch out boundlessly
And silences that somehow cannot be
Heard by my heart, which feels a sudden chill.
It seems these rustling leaves, this silence vast
Blend into one. Eternity draws nigh.
The present sounds and seasons, those long past
Become one sea of endless lives and deaths.
My thought is drowned, and yet it does not die:
It plunges into sweet, refreshing depths.